Solo: Sopran
Orchester
- Beschreibungen
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"Die Symphonie Nr. 4 op. 64 ist ein gewaltiges Werk von etwa fünfzig Minuten Länge und ihre Entstehung wurde durch das Hilde-Zach-Kompositionsstipendium 2016 ermöglicht. Der Orchesterbesetzung wird sinnstiftendes Schlagwerk inklusive Röhrenglocken und Peitsche hinzugefügt, im Finale ist zudem eine Sopran-Vocalise zu hören. Mit einem gewaltigen Aufschrei beginnt das Lento lugubre des Kopfsatzes, des dichtesten und komplexesten Satzes der Symphonie. Düstere Bläserchoräle und donnerndes Aufbegehren erzielen eine pechschwarze Wirkung, entfachen sogleich ihren Bann. Immer wieder geschieht etwas Unvorhergesehenes, und doch behält dieser Mammutsatz seine Kontur und alles fügt sich zu einer zusammengehörigen Einheit. Giocombra ist der Mittelsatz betitelt: Ein Spiel, aber was für eines! Von den ersten Takten beginnend hebt eine Tarantella an, in rasendem Tempo und wildem Gestus. Immer verrückter wird dieser Höllenritt, bis sogar der Rhythmus zu einem 3/8+3/8+2/8 bricht und somit „verstolpert“. Einige aus der Avantgarde bekannte Geräuscheffekte sind gerade in den Bläserstimmen zu hören, allerdings eben nicht um des bloßen Geräusches Willen, sondern indem es sich verschärfend einfügt und Sinn ergibt. Das Finale ist eine „Lunaria“ mit Variationen, eine hinreißende Nocturne. Es ist tatsächlich eine Nocturne, und das in einem unverkennbaren Gestus. Wem sonst gelingt es, auf eine moderne, eigenständige und erneuernde Weise Formen wie eine Tarantella oder gar eine Nocturne, die ja hauptsächlich mit dem 19. und frühen 20. Jahrhundert assoziiert sind, zu schreiben, die tatsächlich heute noch funktionieren? Zwei Mal strebt die Nocturne in die Wildheit, fällt jedoch ebenso schnell wieder in die „komplexe Beschaulichkeit“ zurück und wird jedes Mal noch betörender in ihrer Wirkung. Gegen Ende kommt noch der Sopran hinzu, glasklar und unschuldig zärtlich aus der Kehle der jungen Sängerin Maria Ladurner, einem wahren Talent mit flexibler und farbenreicher Stimmgebung. Sogleich wird das Sopran-Motiv von den anderen Instrumenten aufgegriffen und im Schlagwerk gar ad absurdum geführt. Plötzlich fällt auf, dass das zarte Motiv schon bekannt ist, im ersten Satz erklang es und auch in der Giocombra war es zu hören – und die ganze Symphonie wird von hinten her zusammengeschweißt. Wie viele Zusammenhänge noch existieren, lässt ein erstes Hören nicht ergründen; doch alleine der Detailreichtum und die Stringenz, die unmittelbar ins Bewusstsein fallen, reichen aus, um von einer ganz großen Symphonie des 21. Jahrhunderts zu sprechen, die zum Substanziellsten der aktuellen deutschsprachigen Musikszene gehört."
Oliver Fraenzke (2017): Michael F. P. Huber. In: The New Listener, abgerufen am 7.1.2021 [http://www.the-new-listener.de/index.php/tag/michael-f-p-huber/]"Überraschend mächtig und mit vollem Orchesterklang beginnt die Symphonie Nr. 4 im „Vierundeinzig“. Überrumpelung oder klangliche Wucht sind aber bereits in den ersten Sekunden keine Hauptanliegen. Huber ist zwar „Symphoniker“ durch und durch, er erliegt aber nie der Versuchung mit der schieren Klangmacht eines großen Orchesters den Hörer zu emotionalen Reaktionen zu nötigen. Den ersten Satz nennt Huber „Lento lugubre“. Düster ist dieser Satz in der Tat. Langsam und flächig reiben sich Streicher aneinander. Fagott, Hörner und Trompeten kommen subtil-solistische Rollen und stellenweise eine konterkarierende Funktion zu.
Die schaurig-düstere Stimmung bei seiner vierten Symphonie ist nicht vollständig dunkel oder gar auf melancholisch-suhlenden Gleichklang ausgerichtet. Bis in die kleinste Ritze einer möglichen Dunkelheit leuchtet Huber die Stimmung aus und trotzt der Ausweglosigkeit immer wieder Witz und Aberwitz ab.
Das Orchester füllt im Verlauf des ersten Satzes den Raum nicht mit bloßer Lautstärke, sondern mit einer Unzahl von dunkelbunten Klangfarben. Jedes Details ist hörbar, nichts wabert, nichts geht unter. Die Bewegung, obgleich mäandernd, fühlt sich zutiefst logisch an. Die Spannung zieht den Hörer mit durchs Werk und raus aufs weite Land der Klang- und Harmonik-Experimente. Dort ist es nur kurz unbehaglich, denn auch dort weiß Huber sehr viel zu erzählen. Seine reichhaltigen Kompositionsmittel sind für ihn kein Selbstzweck, sondern Möglichkeiten zur möglichst großen und exakten Ausdifferenzierung und zur Steigerung der Klangvielfalt.
Im zweiten Satz kommt zu diesem Farben- und Ideenreichtum der Übermut dazu. Dass dieser selten gut tut lässt sich anhand des folgenden Hörerlebnisses nicht bestätigen. Fagotte, Flöten und Klarinetten kreisen über den Streichern, die anfangs noch eine seltsame Ruhe bewahren. Bald lassen sie sich aber auch hinreißen Schabernack zu treiben. In manchen Passagen glaubt man zudem Spott zu erkennen. So manches Instrument macht sich über den noch unterschwellig vorherrschenden heiligen Ernst der Streicher-Arrangements lustig.
Den dritten Satz beendet Michael F.P. Huber mit dem effektvollen und doch subtilen Einsatz der Sopranistin Maria Ladurner. Einen wirklichen Text verwehrt ihr Huber aber. Sie muss sich mit Lautmalerei begnügen. So weit, dem Publikum mit einem abschließenden Text-Vortrag einer Sängerin die Leseweise seiner Symphonie rückwirkend zu vereindeutigen geht Huber dann doch nicht. Er kommuniziert mit seinen hochkomplexen, aber auf Hörbarkeit hin ausgerichteten Werken zwar mit seinen Zuhörern, überlässt jedoch diesen die letzte Interpretation und verwischt gekonnt Spuren, die es allzu einfach machen könnten."
Markus Stegmayr (2017): Michael F.P. Huber: Hohe Erzählkunst statt Avantgarde-Gebrabbel. In: ALPENFEUILLETON: , abgerufen am 1.7.2021 [https://www.afeu.at/kultur/musik/2017/03/15005/huber-symphonie-urauffue…]
Uraufführung
26. März 2017 - Innsbruck, Veranstaltungszentrum VIER und EINZIG
Mitwirkende: Maria Ladurner (Sopran), Orchester der Akademie St.Blasius, Karlheinz Siessl (Dirigent)
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 7. 1. 2021): Huber Michael F.P. . Symphonie Nr. 4. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/202193 (Abrufdatum: 22. 11. 2024).